News zum Thema Berufsorientierung

Das Berufsorientierungsprogramm des Bundesbildungsministeriums – jetzt auch für Gymnasien

21.08.2023, Autor: Geert-Jan Gorter

„Erste realistische Vorstellungen von der Berufswelt“: Um Schulen bei der Berufsorientierung zu unterstützen, finanziert das Bundesbildungsministerium seit nunmehr 15 Jahren ein Programm: das BOP (genauer: Berufsorientierungsprogramm). Das lief gut, hatte aber einen Haken: Gymnasiastinnen und Gymnasiasten wurden kaum erreicht. Das soll sich jetzt ändern.

Mit 13, 14 Jahren (also ab der siebten Klasse) sollten sich Schülerinnen und Schülern die Frage stellen, welchen Beruf sie später einmal ausüben möchten. Damit das auch geschieht – Kinder und Jugendliche in diesem Alter sind meist noch nicht allzu intensiv mit ihrer Lebensplanung beschäftigt –, gibt es das Berufsorientierungsprogramm (BOP) des Bundesbildungsministeriums (Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF). Entsprechend lautet das Ziel des Programms: junge Menschen anregen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Während Jugendliche das BOP durchlaufen, sollen sie Ideen entwickeln, in welche berufliche Richtung sie einmal gehen möchten – und was dafür ein passendes Praktikum wäre. Das Programm besteht aus zwei Teilen: der Potenzialanalyse und den anschließenden „praxisorientierten Tagen Beruflicher Orientierung“, kurz: BO-Tage.

Der Schritt weiter: Fujour

Tatkräftige, wissenschaftlich fundierte Unterstützung für Studien- und Berufswahlkoordinator*innen sowie alle Lehrkräfte, die mit dem Thema Berufsorientierung zu tun haben, bietet ab sofort die neue Online-Plattform Fujour. Was dieses Start-up-Projekt anders macht: Die für Schulen kostenlose App fundiert auf einer eigens entwickelten Methode, die konkrete, sehr fein ausdifferenzierte Empfehlungen für die Ausbildungs- und Berufswahl sowie ein interessenbasiertes Matching mit vorhandenen Praktikums- und Ausbildungsplätzen ermöglicht. Und zwar sowohl in der Region als auch grenzüberschreitend EU-weit. Darüber hinaus begleitet die App die Schüler*innen ab der 8. Klasse über den gesamten Bildungsweg hinweg. www.fujour.de

Stärken erkunden in der Potenzialanalyse

In der Potenzialanalyse sollen die Schülerinnen und Schüler zunächst ihre Stärken erkunden. Es geht dabei noch nicht darum, junge Menschen auf eine bestimmte berufliche Richtung festzulegen. Vielmehr sollen individuelle Möglichkeiten ausgelotet werden. Kernelement sind praxisbezogene Einzel- oder Gruppenaufgaben, bei denen die Jugendlichen von pädagogischen Fachkräften begleitet werden.

„Baut gemeinsam eine Fallmaschine, die ein rohes Ei beim Sturz aus dem ersten Stock eines Hauses unversehrt hält“. So könnte laut BMBF eine Aufgabe in der Potenzialanalyse lauten. Wie die Schülerinnen und Schüler die Herausforderung angehen, entscheiden sie selbst. „Geschulte Beobachter geben den Jugendlichen nach den Übungen Feedback zu den beobachtbaren Stärken. Diese individuelle Rückmeldung wird dann mit der Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler abgeglichen und gemeinsam besprochen. Beobachter sind im BOP pädagogische Fachkräfte von Bildungsträgern. In einigen Bundesländern führen geschulte Lehrkräfte der Schulen die Potenzialanalyse durch“, so erklärt das Ministerium. Erfasst werden dabei zum Beispiel methodische Kompetenzen, personale Kompetenzen und/oder soziale Kompetenzen. 

Praxiserfahrung bei den BO-Tagen

Selbst Hand anlegen – das dürfen die Schülerinnen und Schüler während der BO-Tage, die dann in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) oder vergleichbaren Einrichtungen stattfinden. In den dortigen Lehrwerkstätten sind die Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler optimal, um erste Erfahrungen zum Beispiel beim Schreinern oder Nähen zu machen. Neben Handwerk und Technik können sie dort auch den Dienstleistungsbereich erkunden, von Verwaltung über Gesundheit, Kosmetik, Logistik bis hin zum Hotelfach.

Mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler erklärt das BMBF: „Hier lernen sie mehrere Berufsfelder praxisnah kennen und können erste realistische Vorstellungen von der Berufswelt gewinnen. Die Jugendlichen können in der praktischen Arbeit bislang versteckte Talente zeigen und gewinnen durch diese Erfolgserlebnisse neues Selbstvertrauen.“

Auch aufs Lernen wirke sich das positiv aus. „Die Praxiserfahrung zeigt, wofür schulisches Lernen wichtig ist. Dies hat häufig einen positiven Einfluss auf die schulischen Leistungen: Wer an der Werkbank oder am Schreibtisch erfahren hat, dass er in seinem Wunschberuf Briefe schreiben oder den Dreisatz beherrschen muss, der ist auch in der Schule motivierter.“ Die Schulen profitieren also gleich doppelt vom Programm: Sie werden durch den Einsatz der externen Partnerinnen und Partner bei der Berufsorientierung entlastet – und bekommen im Idealfall engagiertere Schülerinnen und Schüler zurück.

Mehr als 3.000 Schulen nehmen teil

Das „Programm zur Förderung der Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten“ – kurz eben: Berufsorientierungsprogramm, noch kürzer: BOP – wurde 2008 durch das Bundesbildungsministerium ins Leben gerufen. Bis Dezember 2022 wurden Zuschüsse in Höhe von rund 816,5 Millionen Euro bewilligt. Damit wurden im Zeitraum 2008 bis Sommer 2022 über 1,8 Millionen Schülerinnen und Schüler erreicht. Bundesweit nehmen über 3.000 Schulen am Berufsorientierungsprogramm teil. Dies geschieht immer in Form einer Kooperation: Die Projektträger schließen Kooperationsvereinbarungen mit den Schulen vor Ort, die dann ihre Schülerinnen und Schüler zur Potenzialanalyse und in die BO-Tage schicken. (Ein Leitfaden erklärt, wie Projektpartner und Schulen zusammenfinden – hier).

Die Lehrkräfte sind dabei jeweils anwesend. „Sie sind Ansprechpartner sowohl für Ausbilderinnen und Ausbilder als auch für Schülerinnen und Schüler und beobachten das Geschehen oder nehmen selbst an den praktischen Übungen teil“, heißt es. In ihrer Funktion als begleitendes Aufsichtspersonal vor Ort hätten sie einzugreifen, wenn Probleme aufträten – zum Beispiel fehlende Disziplin. Das komme allerdings sehr selten vor, so erklären die Programm-Verantwortlichen. Die Jugendlichen seien in der Regel sehr engagiert bei der Sache, schon weil sich „die Lernumgebung vom üblichen Schulalltag unterscheidet“. Andersherum: Lehrkräfte entdeckten häufig neue Interessenfelder und Talente bei ihren Schülerinnen und Schüler, weil sie sie aus neuer Perspektive wahrnehmen.

Ein Haken: An Gymnasien fand das BOP allerdings bislang – aufgrund der Ausrichtung der vergangenen Förderrichtlinien – nur selten statt. Es sei zu starr, zu wenig auf die Bedürfnisse künftiger Akademikerinnen und Akademiker ausgelegt, so lautete die Kritik. Ein neuer Zuschnitt soll das Programm für Gymnasien nun inhaltlich attraktiver machen, kündigt das Ministerium an.  

Was bedeutet das konkret? Die BO-Tage seien nun zwischen fünf und zehn Tagen variierbar und damit deutlich flexibler, was dem Bedarf der Gymnasien entgegenkomme. Weitere Änderung: Während sich das BOP bisher ausschließlich an Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I richtete, steht es mit der neuen Förderrichtlinie auch der Sekundarstufe II offen. „Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II sollen die Möglichkeit haben, sich in die Ausgestaltung der praxisorientierten BO-Tage einzubringen sowie weitestgehend selbständig und berufsfeldübergreifend zu arbeiten“, heißt es. Darüber hinaus wurden die Qualitätsstandards überarbeitet und der Adressatenkreis erweitert (siehe Info-Kasten).

Ausbildung und Studium im Blick

Auch auf die Kritik, dass akademische Karrieren bislang nicht im Fokus standen, geht die neue Programm-Richtlinie ein. „Ausbildung und Studium sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Alle Schülerinnen und Schüler sollen unabhängig von der Schulform Anschlussmöglichkeiten nach der Ausbildung und Karriereperspektiven kennenlernen“, so erklärt das Bundesbildungsministerium. Das bedeutet: Die praxisorientierten BO-Tage sollen gleichermaßen Tätigkeiten und Aufgaben nach Ausbildung und Studium beinhalten. Das ermögliche es den Schülerinnen und Schülern, Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Schnittstellen der Bildungswege anschaulich zu erleben. „Mithilfe des pädagogisch qualifizierten Personals reflektieren die Jugendlichen ihre Erfahrungen und ziehen daraus persönliche Rückschlüsse“, heißt es. Die Zusammenarbeit mit akademischen Partnern ist dabei ausdrücklich erwünscht.

Die neuen Standards beim BOP

  • Die bisherigen „Werkstatttage“ heißen nun „praxisorientierte BO-Tage“,
  • Erweiterung der Zielgruppe auf Sek II und Bildungsgänge an Berufsschulen ohne anerkannten Berufsabschluss,
  • Überarbeitung von Qualitätsstandards,
  • Erweiterung des Antragstellerkreises, Erweiterung der Kooperationspartner bzw. Anbieter von Praxiserlebnissen,
  • Erhöhung der Fördersätze für Schulen und Bildungseinrichtungen,
  • Gleichstellung Förderfähigkeit von Maßnahmen an Gymnasien,
  • Erhöhung der Pädagogische Qualifikation mit dem Ziel, Biographiearbeiten, Selbstreflexion und Eigeninitiative bei der Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler zu stimulieren.
  • Jetzt vier Berufshauptfelder mit jeweils vier bis sieben Berufsfeldern
    • Berufshauptfeld I: Soziales, Pflege, Gesundheit
    • Berufshauptfeld II: Wirtschaft und Verwaltung, Verkehr u. Logistik, Tourismus u. Gastgewerbe Gastronomie
    • Berufshauptfeld III: Gewerbe und Technik, Industrie, Naturwissenschaft
    • Berufshauptfeld IV: Handwerk
  • Innerhalb der 5-10 BO-Tage sollen nun mindestens ein Berufsfeld in Berufshauptfeld 1+2 UND ein Berufsfeld in Berufshauptfeld 3+4 erkundet werden.

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